Künstliche Kreativität (4/6) — Cyber-Surrealismus: KI schreibt Kunstgeschichte
Maschinen sind fleißig und auch Fleiß führt zu kreativen Produkten, durch Immitation zum Beispiel. Doch etwas ganz neues, eine neue Ästhetik, ein kunsthistorischer Paradigmenwechsel, der braucht noch immer menschliches Genie — oder einen kaputten Bilderkennungsalgorithmus. Mit dem Cyber-Surrealismus von Googles Deep Dream führen die Maschinen vor, wie sie die Welt wahrnehmen, nicht als Dinge, sondern als Schlieren und Gräben und vor allem: als Hunde.
Links und Literatur
Googles Deep Dream dreht die Bilderkennung um und produziert eine neue Stilform. Hier gut zu erkennen an einem Teller Spaghetti mit Nova-Scotia-Duck-Trolling-Retriever-Bällchen.
Sogenannte „faltende“ also Convolutional Neural Networks lernen Bilder zu erkennen und zu taggen. Dreht man sie um, verändern sie das Originalbild entsprechend ihrer eingeübten Muster. Das Ergebnis sind beispielsweise die Bilder von Googles Deep Dream.
Bei Menschen nennt man die Gewohnheit bekannte Formen, wie Gesichter in Gegenständen zu erkennen „Pareidolie“: zum Beispiel Jesus-Ikonen in verbrannten Toasts.
Schwedische und Schweizer Forscher*innen konnten mit für Menschen kaum sichtbaren Musterverschiebungen, sogenannten „Universal Adversarial Pertubations“ einen Algorithmus davon überzeugen, einen Ballon, Flaggenmast oder eine Eidechse zielsicher alle als Chihuahua zu identifizieren. Nachzulesen und hübsch anzugucken hier: Seyed-Mohsen Moosavi-Dezfooli et al. (2017): „Universal adversarial perturbations“, in: Beitrag zur IEEE Conference on Computer Vision and Pattern Recognition 2017.
Die Kunstgeschichte ist eigentlich eine Mediengeschichte der Erlösung. Immer wenn neue Darstellungsformate entstanden, konnten sich die bestehenden auf ihre eigentlichen Qualitäten besinnen. Mit der Verbreitung der Fotografie beispielsweise wurde die bildende Kunst zunehmend vom Zweck erlöst, die Wirklichkeit möglichst realitätsgetreu abbilden zu müssen. Das konnten Fotos jetzt viel Besser. Die Idee stammt von Wolfgang Riepl (1913): Das Nachrichtenwesen des Altertums mit besonderer Rücksicht auf die Römer“. Leipzig-Berlin: Teubner, S.5.
So konnte die abstrakte, Kunst entstehen, die seit über hundert Jahren nach der völligen Gegenstandslosigkeit strebt. Computer zeigen nun eine Welt völlig ohne Dinge, weil sie keine Referenzen kennen. Wird die Malerei durch die KI nun auch von ihrer Gegenstandslosigkeit erlöst?
Hier spricht Roman Lipski über seine Interaktion mit der KI: „Ich habe mich befreit von erzählerischen und visuellen Symbolen und Metaphern. Das ist aus meiner Sicht ein großer Schritt, zu dem auch ein Stückchen Mut und Selbstvertrauen gehört.“
Credits
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Vielen herzlichen Dank an Johann Niegl für die Titelmusik und Hans-Jakob Gohr für die Covergestaltung. <3
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